Geschichte der Hospitalstiftung

Die Hospitalstiftung Dinkelscherben blickt stolz auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück. Sie ist die zweitälteste noch bestehende soziale Einrichtung im Landkreis Augsburg. Einzelne Stationen aus dieser Historie sind auf dieser Seite nachzulesen.

Die Gründung der Stiftung im Jahre 1605

Um 1599 kursierte in Dinkelscherben eine Ruhrepidemie, die möglicherweise mit ein Anlass für den Domdekan Hieronymus Stor von Ostrach, Pfleger auf Burg Zusameck, war, ein Spital zu errichten. Er erwarb 1601 drei Anwesen, darunter das Jägerhäusle, in der hinteren Gasse zum Bau des Spitals.

1604 wurde mit Zustimmung des Bischofs von Augsburg mit dem Bau begonnen. Mit der Aufnahme von 9 Bedürftigen begann 1605 die segensreiche Tätigkeit, deren Finanzierung durch die Hospitalstiftung gesichert wurde. Die Aufgaben des Spitals erstreckten sich laut Gründungsurkunde auf das Wohl des Körpers und natürlich auch auf das Heil der Seele. Spitäler waren nicht in erster Linie Altersheime, sie standen vielmehr allen Bedürftigen offen. Als besonders hilfsbedürftig galten Arme und Pilger, alleinstehende Frauen und Waisen. Aufgenommen wurde, wer (nach strengen Kriterien) durch Arbeit seinen Lebensunterhalt
nicht mehr verdienen und wer einen guten Leumund nachweisen konnte.

… dass darin auf ewige Zeiten das Gastrecht für Arme und Bedürftige und für andere beklagenswerte Personen und deren Ernährung und Unterstützung eingehalten werden muss

Johannes Hieronymus Stor von Ostrach, Stiftungsbrief von 1605
Burgkapelle Zusameck und Spital Dinkelscherben

Bau und Konzeption des Spitals

Jeder Spitaler besaß das Recht auf eine Einzelkammer, das Recht zur Benützung des Gemeinschaftsraumes und zur Nutzung des Feuers auf dem Küchenherd. Aufgenommen wurden nach dem Willen des Stifters in erster Linie Untertanen des Domkapitels.

Die Anlage wurde als dreiflügeliges Gehöft konzipiert, damit von der freien Seite jederzeit frische Luft in das Spital strömen konnte.

Die Kapelle „Mariae Himmelfahrt“ war so gebaut, dass die Spitalbewohner von ihren Sälen aus optisch oder zumindest akustisch am Gottesdienst teilnehmen konnten. Konkret bedeutet dies, dass die Gemeinschaftsräume in Nachbarschaft zur Kapelle errichtet wurden: Für die Männer lag er unmittelbar westlich neben der Kapelle, für die Frauen unmittelbar nördlich. Damit es den Kranken möglich war, dem Gottesdienst beizuwohnen, entstand ein Raum im ersten Stock mit Fenstern, die bei Gottesdiensten geöffnet werden konnten. Diese Anordnung bestand sogar noch 1803.

Am 16. Oktober 1605, am Festtag des Heiligen St. Gallus, weihte Weihbischof Sebastian Breuning im Beisein des Augsburger Domkapitels und vieler Beamter die zum Spital gehörende Kapelle. Fortan wurde immer am Gallustag Kirchweih gefeiert. Besondere Verehrung fand in dieser Kapelle der heilige Hieronymus, der Namenspatron des Spitalgründers Hieronymus Stor von Ostrach.

Die Spitalkapelle in Dinkelscherben, nach dem Umbau 1871

Erweiterung und Säkularisation

1614 starb Hieronymus Stor von Ostrach. Er hinterließ sein gesamtes Vermögen in Höhe von 33.479 Gulden dem Spital. Dazu gehörte sein eigenes Haus mit Garten sowie allen Dingen, die dazugehörten und allen Rechten, zum Nutzen der Armen.

Auf Grund der Bedeutung des Spitals entwickelte sich Dinkelscherben im 17. Jh. unter anderem zum zentralen Ort in der Reischenau. Dank einer großen Stiftung des Domherrn Wilhelm Freiherr von Bettendorf konnte Mitte des 18. Jahrhunderts die Bettenzahl auf 58 erhöht werden.

Das Personal bestand damals aus dem Spitalvater, der Spitalmutter, einer Magd, einer Küchenmagd, einem Spitalknecht, einem Krankenwärter und einer Krankenwärterin. Nach der Säkularisation 1802/03 ging das Verwaltungsrecht an die bayerische Krone über. Das Spital bekam einen Spitalarzt, Dr. Benedikt Hagenmiller. Von 1853 – 1980 (127 Jahre!) kümmerten sich die Barmherzigen Schwestern um die Pflegebedürftigen.

Johann Hieronymus Stor von Ostrach: Pfleger auf Zusameck von 1595 bis 1614, Gründer und Stifter des Spitals 1603
Franz Johann Wilhelm Freiherr von Bettendorf:
erweitert das Spital 1763 um acht Pfründen und gilt als zweiter Stifter des Spitals

Ausbau und Umbau

Im Jahre 1871 wurde die Spitalkapelle im neugotischen Stil ausgebaut. Noch heute beherbergt die Kapelle das alte Altarbild des berühmten Augsburger Malers Johann Rottenhammer d. Ä. (1564 – 1625). Den Flügelaltar fertigte der Augsburger Kunstschreiner Wolfgang Ebner d. Ä. (1577 – 1628).

Zwischen 1978 und 1983 erfolgte ein Neubau auf der Nordseite des Hospitals nach Auslagerung des Gemüsegartens. Der Neubau erweiterte die verfügbare Bettenzahl auf 110. Die gründliche Sanierung des Altbaus schloss die Baumaßnahme ab.

Seit Oktober 1980 werden die Heimbewohner durch qualifizierte weltliche Kräfte betreut, 1984 wurde eine Kurzzeitpflegestation ins Heim integriert. Der gemütliche Spitalgarten erfreut die Bewohner seit den neunziger Jahren und wird stetig um neue Elemente erweitert und gepflegt.

Fest im Innenhof des Spitals, 2015

Am 16. April 1999 konnten acht neue vollstationäre Pflegeplätze im Erdgeschoss eingeweiht werden. Im Zuge des neuen Bauabschnitts wurde auch die Hauskapelle restauriert und die Sakristei umgebaut.

Das Motto des Hauses, seit 1604: Menschenwürdig pflegen – Die Würde des Menschen ist unteilbar und unantastbar.

aus der Predigt des Weihbischofs Josef Grünwald, 1999
Ausbau des Spitals, 1999

Weihe, 1999

Bau des Seniorenzentrums in Zusmarshausen

Im Oktober 2001 begann der Bau des Seniorenzentrums St. Albert in Zusmarshausen. Die Einrichtung wurde als Neubau auf dem Gelände des ehemaligen Krankenhauses errichtet. Durch die Unterstützung und auch im Interesse des Marktes Zusmarshausen wurden insgesamt 79 Senioren- und Pflegeheimplätze sowie ein großer Multifunktionssaal mit Altarnische geschaffen. Eröffnet wurde das Seniorenzentrum am 01. Juli 2003 mit dem Wohnbereich im Erdgeschoss, die offizielle Einweihung fand am 22. Juni 2004 statt, nachdem auch der Rest des Gebäudes und die Außenanlage fertiggestellt wurde. Die Mitarbeiter wurden zum Teil aus Dinkelscherben übernommen, um für Kontinuität in Geist und Philosophie der Stiftung zu sorgen.

In den Folgejahren wurde auch der Altbau auf dem Gelände restauriert und in Betrieb genommen.

Spatenstich, 29.08.2001
Seniorenzentrum St. Albert, 2019

400-jähriges Bestehen

Am 08. März 2003 feierte die Hospitalstiftung ihr 400-jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum wurde mit den Heimbewohnern und 150 geladenen Gästen gebührend gefeiert.

Den Wert einer Gesellschaft erkennen wir daran, was sie für die älteren Menschen, für ihre Vergangenheit tut.

Kreisheimatpfleger Prof. Dr. Walter Pötzl im Rahmen der 400-Jahr Feier, 2003

Abgewandte Schließung und Förderverein

2018 entschied der damalige Verwaltungsausschuss der Stiftung, dass am 30. Juni 2019 das Hospital in Dinkelscherben schließen solle. Die Mitglieder begründeten ihre Entscheidung damals mit der Unerfüllbarkeit der gesetzlichen Vorlagen für die jahrhundertealte Einrichtung.

Was folgte war ein großer Widerstand im Ort gegen diesen Entschluss. Mehrere Kundgebungen und Protestaktionen der Bevölkerung und der örtlichen Gewerbetreibenden folgten. Der Dinkelscherbener Josef Guggemos gründete zu dieser Zeit den Förderverein Bündnis Hospital Dinkelscherben-Zusmarshausen e.V.. Der Verein mit seinem engagierten Vorsitzenden sowie das Zusammenhalten in der Bevölkerung verhinderten die Schließung des Dinkelscherbener Heims. Der Verwaltungsausschuss trat zurück und wurde neu besetzt.

Kundgebung zum Erhalt des Spitals in Dinkelscherben, Juni 2019

Nach abgewandter Schließung rückte die Hospitalstiftung mit ihren beiden Einrichtungen wieder verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit. Die Bevölkerung und der Förderverein mit seinen inzwischen über 1.100 Mitgliedern sammelten Spenden für die Renovierung des Seniorenheims in Dinkelscherben und halfen in großem ehrenamtlichen Engagement bei den Bauarbeiten mit. So konnte am 03. Oktober 2020 der Flügel A nach einem Jahr Umbauzeit und mit 24 barrierefreien Räumen wiedereröffnet werden. Auch im Seniorenzentrum Zusmarshausen gestaltete und engagierte sich der Verein zum Wohle der Heimbewohner.

Mitglieder des Fördervereins bei Gartenarbeiten im Seniorenzentrum Zusmarshausen, 2020